Hanne Darboven

(29. April 1941 – 9. März 2009)

gehört zu den international renommiertesten Konzept-Künstlerinnen.
Sie vertrat Deutschland auf der Biennale in Venedig, hat mehrere Male an der documenta teilgenommen und ist in den wichtigsten internationalen Museen präsent.
Geboren 1941 in München, aufgewachsen in Hamburg-Harburg, lebte und arbeitete in Hamburg-Harburg. 1994 erhielt Hanne Darboven in Hamburg den angesehenen Lichtwark-Preis.
Am Montag, den 09. März 2009 verstarb Hanne Darboven im Alter von 67 Jahren in ihrem Wohnort Rönneburg, in Hamburg-Harburg.

Dokumentationszentrum

Hanne Darboven Stiftung erwirbt Darboven Stammhaus

Hamburg-Harburg | Um ihre Arbeiten wissenschaftlich zu erfassen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen, hat die Hanne Darboven Stiftung die ehemalige Darboven-Villa in Rönneburg zurückgekauft und richtet dort ein Dokumentationszentrum ein. Die wissenschaftliche Aufarbeitung geht mit der Realisierung von Ausstellungsreihen einher.

Albert Darboven hatte in 2012 bei der Finanzbehörde Hamburg ein Gebot zum Kauf der neben dem ehemaligen Wohnhaus Hanne Darbovens gelegenen Stadtvilla eingereicht. Das Nutzungskonzept sieht vor, daß Hanne Darbovens Kunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Zudem soll hier das Nachlass-Archiv eingerichtet werden. Auch Wohnräume für Stipendiaten und Stiftungsmitarbeiter sind geplant.

„Ich schreibe, also bin ich.“

Diese Lebensmaxime von Hanne Darboven hat seit den sechziger Jahren ein Werk entstehen lassen, das in der Kunst nicht seinesgleichen hat, das die Grenzen der bildenden Kunst immer wieder neu auf die Probe stellt.

„Ich schreibe, aber ich beschreibe nichts.“ – „Ich schreibe, aber ich lese nicht.“ So beschreibt sie selber das unendliche Ritual des Verfertigens ihrer Kunst, das in seiner Konzentration, Konsequenz und Kontinuität wahrhaft einmalig ist. Auf tausenden und abertausenden von Blättern hat die Künstlerin in scheinbar unendlicher Reihung Zahlen und Buchstaben aufgeschrieben. Schreibzeit – festgeschriebene Zeit – Zeiterinnerung. Das ist ihr Thema.

Zeit wird in diesem Werk zum Raum. Schreibende Tätigkeit zeigt sich am Ende als Installation im Museum, wo die Blätter in gleichförmiger Reihung an den Wänden eine Struktur bilden, die unverkennbare Darboven-Struktur. Ein Extremfall von Konzeptkunst, die bei geduldiger Betrachtung in schwingende visuelle Bewegung gerät. [ Anna Brenken ]

Hanne Darboven entwickelte in den 1960er Jahren ein Konzept zur Fortschreibung von Zeit und formalisierte es in einer Abfolge von abstrakten Schreibzeilen und Gruppierungen von Zahlen. Sie wurde angeregt durch ihre Begegnung mit Künstlern der Minimal Art, vor allem Carl Andre und Sol LeWitt, in New York, wo sie sich 1966/67 aufhielt.

Sie distanzierte sich sowohl von der extrovertierten Darstellungsweise der Pop Art als auch von der expressiven Linienführung der Zeichnung. 1968 übernahm sie die Einteilung des Kalenders mit Tag, Monat und Jahr. Die internationale Anerkennung kam früh. Der New Yorker Galerist Leo Castelli förderte sie, schon 1970 waren ihre Arbeiten im Museum of Modern Art in New York zu sehen, ein Jahr später im Guggenheim-Museum.

In den 1970er Jahren bezog sie ihr Konzept auf literarische Werke wie Homers „Odysee“ oder Heinrich Heines „Atta Troll“. Mit den Blättern der „Schreibzeit“ (1975-80) begann sie sich geschichtlichen Themen zuzuwenden und historische und politische Inhalte zu reflektieren. Dies schlug sich besonders durch die Integration von Bildmaterial in ihrer Arbeit nieder.

Seit 1980 übersetzt sie die ihren visuellen Arbeiten zugrundeliegenden Zahlenkonstruktionen auch in musikalische Strukturen: die Zahlen bestimmter Zeitrechnungen werden von ihr selbst in Töne und musikalische Notationen umgesetzt.

Opus 17A 70 Minuten Download Audio / ubu org )
Produced in association with the exbition „Kulturgeschichte 1880-1983,1980-83“
at Dia Center for the Arts, March 28, 1996 – June 29, 1997.

For double bass perfomed by Robert Black
Produced by Jonathan Bepler
Recorded at Aardvark Studio, New York

Vier Jahreszeiten 1981-82, „Der Mond ist aufgegangen“, 1982,
Schallplatte/LP 30 cm, Eigenverlag H.D., Hamburg, 1982, Edition von ca. 300 Exemplaren.
© Sammlung Marzona, SMB, Kunstbibliothek, Foto: Dietmar Katz

Hanne Darboven in Hamburg-Harburg

Wende 80

1988 wurde „Wende 80″ im Beisein der Künstlerin an der mehrgeschossigen Wand im Foyer  in der Eingangshalle der Technischen Universität Hamburg-Harburg installiert – als erste und bis 2010 einzige öffentlich gezeigte Arbeit in Hamburg-Harburg. Auf 415 gleichformatigen Blättern dokumentiert Hanne Darboven die Zeit und die Umstände der politischen Wende im Herbst 1982 in Bildern, Worten und Chiffren und realisiert zum ersten Mal in ihrem künstlerischen Schaffen, was sie schon lange bewegte: Sie setzte Zahlenkonstruktionen in „mathematische Musik“ um – eine Form mathematischer Literatur.

Kern der Präsentation von „Wende 80″ ist eine dauerhaft installierte Multimediawand. Diese zeigt elf Schallplatten mit handsigniertem Cover der Künstlerin, und über Kopfhörer kann man die „Wende 80″-Musik hören. Außerdem können Besucher einen von insgesamt fünf Filmen sehen, die Hanne Darboven gedreht hat. „Der Mond ist aufgegangen“ zeigt Aufnahmen aus Harburg, speziell von den dem Campusgelände angrenzenden Schützenplatz auf dem Schwarzenberg.

Friedrich II

Eine weitere Arbeit mit Harburger Bezug ist „Friedrich II, Harburg 1986“, die als Grundmotiv eine Postkarte mit der Ansicht des Harburger Sand ca. 1908/1910 verwendet.

Abb./Quelle: Helms-Museum, Hamburg-Harburg

Autobiographischer Bezug / Friedrich II:

Hanne Darboven, aufgewachsen in Harburg, lebte mit ihren Eltern einige Jahre am Sand, Standort des 1895 gegründeten „Colonialwaaren- und Conserven-Geschäft mit Dampf-Kafferösterei“ ihres Großvaters J.W. Darboven. Der Betrachtungsstandpunkt der Postkarte entspricht dem Standort des Darbovschen Geschäfts.

 AUSSTELLUNGEN

EINZELAUSSTELLUNGEN

( Auswahl )

  • 2008 Hanne Darboven, „Buch der Bilder – Fin de Siècle“ (1992-1993) HAMBURGER BAHNHOF – Museum für Gegenwart, Berlin
  • 2006 Hanne Darboven, Hommage a Picasso, Deutsche Guggenheim, Berlin
In 2006 fand die letzte große Einzelausstellung von Hanne Darboven in der Deutsche Guggenheim, Berlin statt. Hanne Darbovens Installation Hommage à Picasso für das Deutsche Guggenheim, (4. Februar bis 23. April 2006) dokumentierte das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und war gleichzeitig eine außergewöhnliche Hommage der international wohl bekanntesten deutschen Künstlerin an den Künstler des 20. Jahrhunderts.

Gespräch von Gerd de Vries mit Sibylle Omlin, Texte von Valery L. Hillings, Wolfgang Marx, Anne Rorimer, Svenja Gräfin von Reichenbach

Broschiert, 96 Seiten,
49 Abb., davon 34 farbig,

3 Klapptafeln
mit Audio-CD OPUS 60
Sprache: Deutsch
27,8 x 23 x 1,4 cm

Das Buch dokumentiert eine Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim in Berlin: eine aktualisierte und erweiterte Version von Hommage à Picasso aus den Jahren 1995/96.

In der Installation notiert Darboven auf insgesamt 9720 Schriftblättern in vier Varianten numerisch das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Als Reminiszenz an den »größten Künstler des 20. Jahrhunderts« setzt Darboven ihre Arbeiten in »picassoesk« handbemalte Rahmen, die Kleinkünstler, inspiriert von Picassos Jacqueline in türkischem Kostüm, entworfen haben. Ergänzt werden diese Blätter von Skulpturen sowie Darbovens musikalischer Komposition Opus 60, die dem Band auf CD beiliegt.
  • 2004 Hanne Darboven, Phoenix Art Stiftung, Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg
  • 1997 Kinder dieser Welt, Staatsgalerie Stuttgart
  • Für das Berliner Reichstagsgebäude, in den Fraktionslobbies, im dritten Obergeschoss, wurde die Arbeit „12 Monate (Europa-Arbeit)“ von 1997 installiert, die auf 32 Blättern 12 Monate repräsentiert. Die Blätter sind mit Federzeichnung und Collage auf Pergament ausgeführt. Im Unterschied zu den Geschichtsbezügen der Vergangenheit verweist sie auf eine zukünftige Vision von Europa.
  • 1996 Kulturgeschichte 1883-1983, Dia Art Foundation, New York
  • 1991/92 Die geflügelte Erde, Requiem, Deichtorhallen, Hamburg / Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven

GRUPPENAUSSTELLUNGEN

( Auswahl )

  • 2002 Documenta 11, Kassel
  • 1997 Deutschlandbilder, Martin-Gropius-Bau, Berlin
  • 1982 Biennale di Venezia
  • 1982 Documenta 7, Kassel
  • 1977 Documenta 6, Kassel
  • 1972 Documenta 5, Kassel
  • 1971 Guggenheim-Museum, New York
  • 1970 Museum of Modern Art, New York
  • 1969 „When Attitudes Become Form“, Bern

Links | Hanne Darboven 

www.hanne-darboven.de ] [ Hanne-Darboven-Stiftung ] [ Hanne Darboven auf wikipedia ] [ Hanne Darboven | Kulturgeschichte 1880-1983 | Dia Art Foundation | New York 1996/1997 ]


Hanne-Darboven-Dokumentationszentrum
Hamburg-Harburg, Rönneburg, Am Burgberg 26
www.hanne-darboven.org/stiftung/dokumentationszentrum

ATELIER, WOHNHAUS & ARCHIV von HANNE DARBOVEN

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